Hat man ein paar Ideen angesammelt, dann gilt es irgendwann, Ordnung in das Chaos zu bringen. Wie man das machen kann, worauf man achten sollte, wenn man anfängt, seine Geschichte zu konstruieren und welche Arbeitsschritte es noch braucht, bis man gut vorbereitet seine Rohfassung beginnen kann, das werde ich heute erläutern.
Natürlich kann man auch, sobald man ein paar Ideen gesammelt hat, direkt mit der Rohfassung loslegen. Ich glaube, ich wiederhole mich in diesem Punkt. Ab jetzt lasse ich das. Genaue Planung kann nämlich äußerst hilfreich sein. Denn wenn ich genau weiß, wo meine Geschichte hinführt, welche Herausforderungen mein Protagonist zu bestehen hat, welche Figuren er trifft und wie alles endet, schreibt sich die Rohfassung fast wie von selbst.
Die nun folgenden Punkte sind nicht chronologisch angelegt. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wo er anfängt. Es hängt auch sehr stark von der Geschichte ab, die man erzählen möchte und wie gut die bisherige Sammlung bereits strukturiert ist.
Das Thema – ein einzelnes Wort, das den Schwerpunkt festlegt
Das Thema einer Geschichte ist etwas, das sich entweder im Laufe des Sammelns und Schreibens herauskristallisiert oder etwas, das man von vornherein festlegt. Ein Thema besteht eigentlich nur aus einem oder – wenn man es etwas genauer festlegen will – zwei bis drei Wörtern.
Beispielsweise kann man bei Liebesromanen davon ausgehen, dass sie das Thema Liebe aufgreifen – naheliegend. Allerdings hat eine Geschichte meistens mehr als ein Thema. Hier geht es aber um das Hauptthema einer Geschichte. Etwas, das im Idealfall in jedem Kapitel mitschwingt. Eine traurige Liebesgeschichte könnte demnach auch als Hauptthema Einsamkeit haben.
Ich lege es fast nie am Anfang fest, sondern entdecke es während der Vorarbeit. Normalerweise posaunt man das Thema seiner Geschichte auch nicht in die Welt hinaus. Ich mache es trotzdem mal – zur Veranschaulichung.
Bei meinem ersten Buch „Der Zeit-Zwirbel-Effekt und seine Knöpfchendrücker“ steckt das Thema sogar im Titel: Der Zeit-Zwirbel-Effekt. Da damit aber wohl niemand etwas anfangen kann, der das Buch nicht gelesen hat, definiere ich es mal etwas anders. Das Thema ist Kausalität. Ursache und Wirkung. Da ein weiteres Thema des Buches – allerdings nicht das Hauptthema – Zeitreisen ist, kann man sich vielleicht denken, dass die Kausalität hier keinem simplen Ursache-Wirkung-Konzept folgt. Daher auch der neue Begriff. Oder in mehreren Wörtern: kreisförmige Kausalität. Ich hoffe, das versteht man. Da das Buch zudem aus mehreren kleinen Geschichten besteht, hat auch jede Geschichte für sich ein eigenes Thema.
Bei meinem zweiten Buch ist es schon etwas einfacher. Hier ist das Hauptthema Isolation.
Die Prämisse – These, Aussage und bei Bedarf die Botschaft einer Geschichte
Die Prämisse ist die Aussage der Geschichte. Um die Prämisse festzulegen, ist es daher wichtig, dass man das Ende seiner Geschichte bereits kennt. Falls nicht, legt man es durch die Prämisse fest.
Ich persönlich tue mich allerdings etwas schwer damit, eine Prämisse zu definieren, bevor ich einen möglichen Ausgang kenne.
Wobei man nun Aussage nicht zwingend als Botschaft verstehen muss. Sie muss auch nicht universell für das Leben anwendbar sein, wie das bei Sprichwörtern der Fall ist. Die Prämisse ist vielmehr eine These, die im Laufe der Geschichte bewiesen wird.
Wer in seine Geschichte jedoch unbedingt eine Botschaft einbauen möchte, kann natürlich die Prämisse dafür nutzen. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass ich, wenn ich über die Prämisse eine Botschaft definiere, der erhobene Zeigefinger leicht zum Vorschein kommt. Daher verzichte ich komplett auf die Botschaft. Falls sich dann doch unbewusst eine einschleicht, freue ich mich umso mehr über diesen geistreichen Erguss.
Wie genau könnte nun eine Prämisse lauten? Da sie recht viel über das Ende einer Geschichte aussagen kann, erspare ich mir hier Beispiele anhand meiner eigenen Bücher und nutze ein paar relativ allgemeine Prämissen:
- „Wahre Liebe übersteht selbst die schwierigsten Zeiten“, wäre eine typische Prämisse für eine Liebesgeschichte, in der ein (tragisches) Ereignis zu einem Zerwürfnis der Liebenden führt, die am Ende wieder zusammenfinden.
- „Mit Zielstrebigkeit und Mut kann man alle seine Träume verwirklichen.“ Der amerikanische Traum, der gern und häufig in Hollywoodstreifen Verwendung findet. Hier wäre die Ausgangssituation eher unglücklich – der Held ein Versager. Er würde sich nun allen Widrigkeiten stellen, die seinem Traum im Wege stehen und am Ende siegen.
- „Egal, wie sehr man sich in etwas hineinhängt, am Ende ist alles für die Katz.“ Hier würde man dem Protagonisten dabei zusehen, wie er alle seine Energie in etwas ihm Wichtiges hineinsteckt und am Ende wieder genau dort landet, wo er am Anfang der Geschichte bereits stand. Oder seine Bemühungen dienen lediglich seiner Katze.
Ideen sortieren mit allen Möglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen
Um die Ideen, die man in den vorigen Phasen ausgiebig gesammelt hat, zu sortieren, ist es sinnvoll, wenn man sie verschiedenen Kategorien zuordnet. Da sich bei mir neben Ideen zur groben Handlung, auch Charakterzüge, kurze Szenen und sogar Dialoge finden, teile ich meine Ideen auf. Alles, was Charaktere betrifft, wird zu den Charakterisierungen gelegt. Grobe Handlungsabläufe baue ich direkt in den Spannungsbogen ein und konkrete Auszüge aus Kapiteln kommen in eine Kapitelübersicht.
Man könnte sich auch eine Zeitleiste anlegen, wenn die Chronologie sehr wichtig ist, und man sonst den Überblick verliert. Oftmals spielen ja auch Ereignisse eine Rolle, die vor der Geschichte passiert sind.
Wenn man eine ganz neue Welt – z. B. für einen Fantasyroman – entwirft, kann es sinnvoll sein, sich eine Landkarte zu erstellen, wie man es aus „Herr der Ringe“ kennt. Bei Scifi vielleicht eine Übersicht aller (intelligenten) Spezies, die sich so im Weltall tummeln. Oder die Zeichnung eines Raumschiffinneren. Ich persönlich verwende auch gern Computerspiele, in denen man eigene Figuren/Gebäude/Spezies/Fahrzeuge usw. entwerfen kann (derzeit „Spore“ für Außerirdische), um mir ein visuelles Abbild meiner Kreationen zu erschaffen, das ich dann als Foto zu den Beschreibungen legen kann. Für menschliche Protagonisten lege ich mir auch gern das Bild eines Schauspielers dazu, der meiner Vorstellung dieser Person entspricht.
Diese Dokumente sind sehr sinnvoll, wenn man später mal schnell etwas nachschlagen muss, um keine Fehler in der Kontinuität zu haben. Nicht, dass plötzlich die Schaltkonsole auf der anderen Seite ist oder die Haarfarbe einer Figur wechselt (leider trotzdem schon passiert …). Natürlich empfehlenswert, später auch wirklich wieder in diese Dokumente hineinzusehen.
Außerdem kann man manches auch für die Veröffentlichung nutzen. Karten in dicken Fantasywälzern sind ja sehr beliebt.
Neben diversen Office-Dokumenten, die ich für meine Geschichten anlege, entstehen so eine Vielzahl an Papierschnipseln, Zeichnungen, Bildern, Tabellen oder Mindmaps, auf die ich immer wieder zurückgreifen kann. Mit am wichtigsten für meine Arbeit – was ich wirklich für jedes Buch mache – sind die Kapitelübersicht und die Charakterisierungen. Daher werde ich diesen beiden Dingen noch mal zwei gesonderte Beiträge widmen.
Ein Programm, mit dem ich in den letzten Jahren sehr gern gearbeitet habe, ist „Curio Core“. Es ist ein bisschen wie ein Schreibtisch, auf dem man alle seine Unterlagen ablegen kann. Früher habe ich viel mit Notizzetteln gearbeitet – vor allem für die Kapitelübersicht. Doch die musste ich dann anschließend immer auf ein Blatt kleben, damit ich sie neben mir zur Ansicht hatte, oder alles abtippen. Dann hat man es vielleicht nicht immer dabei. Oder man hat es verlegt. Unnötige Arbeit, meiner Ansicht nach.
Curio Core – ohne jetzt Werbung dafür machen zu wollen – ist wie eine Mischung aus mehreren Programmen. Man kann Tabellen anlegen, Mindmaps erstellen, Notizen und Checklisten anlegen und das alles auf einem Hintergrund ablegen. Dadurch wird es sehr übersichtlich und man muss nicht tausend Dokumente öffnen. Das Programm ist allerdings keine Freeware. Analog arbeiten mit Notizzetteln und einem großen Notizbuch (hier wäre DIN A4 durchaus angebracht) tut es natürlich auch.
Figuren
Darauf komme ich nächste Woche genauer zu sprechen. Hier sei nur kurz Folgendes gesagt: Es gibt zwei Möglichkeiten, von der aus man eine Geschichte aufbauen kann. Aus der Handlung heraus oder aus der/den Hauptfigur(en) heraus. Im Laufe des Planens und Schreibens wird dies aber nebensächlich, da sich Figuren und Handlung gegenseitig beeinflussen und eine eigene Dynamik annehmen. Ob man eher charakter- oder plotorientiert arbeitet, ist meiner Ansicht nach reine Geschmackssache. Ich persönlich gehe immer erst von einer Grundhandlung aus, bevor ich einen passenden Charakter entwerfe, der dann wiederum die Handlung auf den Kopf stellt.
Einbetten in den Spannungsbogen
Spannungsbögen und Plotstrukturen sind Dinge, über die man ganze Romane schreiben könnte. Wurde auch schon sehr ausgiebig betrieben, daher erspare ich mir hier Zusammenfassungen aus der Literatur und verweise mal auf einige hilfreiche Bücher zum Thema. Man muss sich nicht unbedingt daran halten, was die Autoren einem in diesen Werken erzählen, aber es ist gut, wenn man mit Begriffen wie „Heldenreise“, „Spannungsbogen“, „Plotpoint“, „Klimax“ oder „Archetypen“ etwas anfangen kann.
- „Die Odyssee des Drehbuchschreibers“ von Christopher Vogler – nicht nur für Drehbuchautoren – gibt es einen guten Einblick in die Heldenreise und Archetypen. Es ist sehr verständlich geschrieben und mein Favorit unter den Schreibratgebern.
- „Der Heros in tausend Gestalten“ von Joseph Campbell – ebenfalls sehr empfehlenswert, zumal Christopher Vogler in seinem Werk sehr häufig auf dieses Buch verweist. Allerdings ist es etwas komplexer geschrieben. Man muss es sehr sorgfältig lesen.
- „Grundlagen und Techniken der Schreibkunst – Handbuch für Schriftsteller, Redakteure und angehende Autoren“ von Otto Schumann (Hrsg.) ist ein richtig dicker Wälzer und ein guter Überblick über das Handwerk des Autoren. Sehr empfehlenswert.
Aber bevor man ein Buch schreibt, sollte man das Handwerk des Schreibens erlernen. Ob nun mit diesen Büchern oder mit anderen Ratgebern, Schreibkursen und was es noch so alles gibt. Musiker kann man schließlich auch nicht werden, wenn man sein Instrument nicht lernt. Es sei denn, man möchte eine „künstlerische Performance“ ablegen, bei der man nur ziellos – aber mit ordentlich viel Selbstbewusstsein – auf die Tasten eines Pianos haut. Ein paar begeisterte Intellektuelle kann man damit vielleicht erreichen. Aber in den Charts landet man vermutlich eher nicht.
Wenn ihr weitere Ratgeber parat hat, auf die ihr schwört, könnt ihr diese gern als Kommentar posten. Eine gute Übersicht über verschiedene Plotstrukturen bietet auch der Blog www.literaturjournal.de.
Ich persönlich orientiere mich seit Jahren an der Heldenreise und nutze das Drei- oder Fünf-Akte-Modell – eher unbewusst, wie ich feststellte, als ich diese Bücher zum ersten Mal las. Wenn man in seiner Geschichte irgendwo festhängt, ist es dann mitunter sehr praktisch, wenn man sich das Prinzip der Heldenreise in Erinnerung rufen kann und die eigene Geschichte daraufhin abklappert.
Wie das nun konkret bei mir aussieht? Ich baue meine Grundhandlung in einen Spannungsbogen ein. Früher habe ich den aufgezeichnet und kleine Kreuzchen an den Stellen gemacht, wo die Wendepunkte sind. Heutzutage scheibe ich sie einfach untereinander. Das sähe dann bei mir so aus (wenn ich drei Akte benutze und eine Geschichte über einen Typ erzählen wollte, der sich eine neue Wohnung suchen muss – eher nicht so meins, aber ich verrate hier ja keine Ideen für neue Projekte …):
- Kurze Skizze des Anfangs der Geschichte: Held sitzt tatenlos daheim herum, hat keinen Job und kein Geld, kann die Miete nicht zahlen.
- Erster Wendepunkt: Er wird aus seiner Wohnung herausgeworfen, weil er die Miete nicht gezahlt hat.
- Erster Teil des zweiten Aktes: Er sucht nach einer Wohnung, findet nichts Passendes, kann sich die Wohnungen nicht leisten und so … Probleme halt.
- Zentraler Punkt: Er findet eine Wohnung, die er sich leisten könnte und die hervorragend zu ihm passt.
- Zweiter Teil des zweiten Aktes: Er setzt alles daran, diese Wohnung zu bekommen, muss aber mit weiteren Problemen kämpfen. Ein anderer Typ will die Wohnung auch oder der Vermieter verlangt Dinge, die fast unmöglich zu erfüllen sind.
- Zweiter Wendepunkt: Sein Rivale hat den Zuschlag für die Wohnung erhalten, was den Helden zu einem finalen Trick ausholen lässt.
- Auflösung: Er schafft es, dass sein Rivale nicht den Mietvertrag unterzeichnet, und bekommt die Wohnung.
Das ist natürlich alles noch sehr grob und kann nach persönlichem Geschmack in einer solchen Übersicht verfeinert werden. Man könnte es z. B. mit weiteren Wendepunkten füllen. Für mich reicht das generell erstmal. Danach gehe ich sofort ins Konkrete und mache eine Übersicht der einzelnen Kapitel. Dazu dann ein andermal.
Die Logline – die Essenz der Geschichte
Um die Essenz der eigenen Geschichte herauszufiltern, kann es mitunter sinnvoll sein, eine Logline zu schreiben. Das ist nichts weiter, als die Geschichte in einem – maximal zwei – Sätzen zusammenzufassen. In diesem Satz sollte Folgendes zu finden sein:
- Der Held
- Der Antagonist
- Bei einer Liebesgeschichte: der love Interest
- Der Konflikt
- Die Ironie
Wie könnte so etwas konkret aussehen? Nehmen wir mal als Beispiel den Herrn der Ringe:
- Held: Ein Hobbit
- Antagonist: der mächtigste aller Zauberer
- Konflikt: den Ring des Zauberers zerstören und auf der Reise nicht dem Bösen verfallen
- Ironie: hat noch nie seine beschauliche Heimat verlassen oder ein Abenteuer bestritten
In einem Satz: Ein Hobbit, der noch nie seine beschauliche Heimat verlassen musste oder ein Abenteuer bestritten hat, soll den mächtigsten aller Zauberer besiegen, indem er dessen Ring zerstört, ohne auf seiner Reise dem Bösen zu verfallen.
Das ist natürlich sehr vereinfacht, soll es aber auch sein. Probiert das mal mit der eigenen Geschichte. Kann für später sehr wertvoll sein, wenn man den Klappentext für das eigene Buch schreibt.
Und um noch auf meinen Vergleich mit dem Hausbau zurückzukommen. Wenn die Phase des Ordnens – mitsamt der Charakterisierungen und der Übersicht über die einzelnen Kapitel, auf die ich die nächsten Male eingehe – beendet ist, hält man den Entwurf (den Bauplan) in Händen. Die Arbeit des Architekten ist somit erledigt – ja, ich weiß, dass Architekten auch noch während der Bauphase dabei sind. Aber sagen wir mal: Die Hauptarbeit des Architekten ist durch. Er hat seinen Entwurf abgeliefert und nun muss dieser Plan „nur noch“ umgesetzt werden.
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