Ich schreib dann mal ein Buch Teil 6 – die Rohfassung runtertippen

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Wie ich bereits in Teil 5 angedeutet hatte, schreibt sich die Rohfassung nach all der Vorarbeit eigentlich wie von selbst. Denn die Geschichte steht ja schon. Sie muss nur noch ausformuliert werden. Man kann sich nun einfach von Kapitel zu Kapitel hangeln – in den Aufzeichnungen nachsehen, was im folgenden Abschnitt geschehen soll und loslegen.

Für mich persönlich ist das Schreiben der Rohfassung der Arbeitsschritt, den ich mit Abstand am schnellsten bewältige. Für die spätere Korrektur benötige ich mindestens das Dreifache, eher sogar das Fünffache an Zeit. Ihr werdet gleich merken, warum das so ist. Doch zuerst zu einem grundlegenden Fehler, den ich früher häufig begangen habe.

Wenn der Autor nicht den Schluss kennt, wer dann?

Eine Geschichte zu beginnen, die noch kein Ende besitzt, ist eine ganz miese Idee. So erging es mir zumindest immer. Auf meiner Festplatte finden sich etliche angefangene Bücher und Kurzgeschichten –, die ich nie zu einem Abschuss gebracht habe, weil ich in dem Moment, in dem mir diese geniale erste Seite in den Kopf kam, einfach nicht wusste, wie die Geschichte enden soll. Es brauchte dann stets noch eine Menge Gehirnschmalz, um mir zu überlegen, was denn aus meiner tollen Grundidee werden könnte. 90% dieser „supergenialen“ Ideen und „fabelhaft formulierten“ ersten Seiten fanden keinen Schlusspunkt, oder wenn ich endlich ein Ende erarbeitet hatte, passten diese grandiosen ersten Zeilen nicht mehr ins Konzept.

Ihr versteht, was ich meine? Wer den Schluss nicht kennt, weiß auch nicht, wo er hinsteuert. Es ist ein zielloses Schreiben ins Nichts. Denn die Auflösung der Story ist das Ziel dieses Buches, die Endstation des Protagonisten und das, womit man den Leser am Ende allein lässt. Es ist das, worauf ihr aufbaut. Der Anfang einer Geschichte zieht den Leser zwar hinein, aber er ist nur der Grund, warum er neugierig wird. Die Aussicht auf das Finale ist das, was die Handlung trägt. Und ein gelungenes Ende ist eine Motivation für den Leser eine Fünf-Sterne-Rezension zu verfassen.

Also selbst, wenn ihr euch nicht die ausgiebige Vorarbeit zumutet, wie ich das zu tun pflege, so sei euch wenigstens wärmstens ans Herz gelegt: Kennt euren Schluss! Alle Wege, alle Konflikte, alle Ziele führen dorthin. Ihr würdet ja auch nicht anfangen zu schreiben, wenn ihr nicht wüsstet, was ihr damit am Ende vorhabt. Wollt ihr es als Buch veröffentlichen? Als Kurzgeschichte für einen Wettbewerb? Soll es euer persönliches Tagebuch bleiben? Oder schreibt ihr einen Blog? Kennt ihr euer Ziel, dann wisst ihr auch, worauf ihr hinarbeiten müsst.

Ich hatte zum Beispiel kürzlich mal angefangen, die ersten Seiten meines nächsten Buchprojektes zu tippen – einfach, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe und das gut durchdachte erste Kapitel zu Papier bringen wollte. Ich weiß, dass davon vermutlich kaum etwas übrig bleiben wird – so wie es jetzt da steht. Dennoch war es nicht völlig für die Katz. Denn ich kenne bereits das Ende der Geschichte und ich kenne meine Protagonistin. Ich hatte vor Jahren schon einmal für dieselbe Story einen Anfang geschrieben, ohne das genaue Ende zu überblicken und ohne mit meiner Hauptfigur richtig vertraut zu sein. Das kann ich jetzt komplett in den Datenschredder stecken.

Aber mit dem Finale vor Augen geht es in die richtige Richtung. Und nun gehen wir zügig zum Schreiben des Buches. Angenommen das persönliche Ziel liegt unter anderem darin, dass man nicht mehrere Jahre an der Rohfassung sitzen will, weil man alle zwei Wochen ein paar Zeilen hinkritzelt, dürfte dieser Rat vielleicht ganz hilfreich sein:

Setzt euch Zielvorgaben

Auch wenn das Schreiben ja eigentlich Spaß macht (Ich setze mal voraus, dass hier niemand aufmerksam mitliest, der zur Schreibarbeit gezwungen wird oder das Verfassen von Büchern nur deswegen anfangen will, weil er denkt, er könne damit schnelles Geld verdienen), fällt es nicht immer leicht. Um den Schreibprozess hurtig voranzutreiben, verordne ich mir daher Zielvorgaben. Letztes Jahr November (der Schreibermonat) setzte ich mir zum Ziel, jeden Tag mindestens 1.500 Wörter zu tippen. Klingt viel, sind aber letztlich nur etwa fünfeinhalb Normseiten.

Als ich merkte, dass ich diese 1.500 Wörter relativ fix geschrieben hatte, erhöhte ich auf 2.000 und anschließend auf 2.500. Mein Buch „Im Turm des Panopticons“ sollte ursprünglich nur 50 Seiten lang werden. Die Rohfassung hatte, glaube ich, 60. Normalerweise könnte ich nachsehen, aber ich hatte mitten im Schreiben von Libre Office auf Papyrus Autor umgestellt und vergessen, die Rohfassung extra abzuspeichern.

Zurück zu den Wörtern: Warum als Zielvorgabe Wörter nehmen? Warum nicht Seiten? Weil es nach mehr aussieht. Früher setzte ich mir eine Seitenvorgabe – zehn pro Tag. Sieht zunächst nach einem kleineren Berg aus, hat allerdings den Nachteil, dass es deutlich länger dauert, bis man einen Fortschritt beobachtet. Man muss bereits eine Menge Wörter geschrieben haben, bis da endlich Seite 2 steht. Auf der Wortanzeige stehen aber schon um die 250! Klingt doch gleich viel besser, oder? Und schwupp ist man auf 300, 500, 1000 … und schneller als man es sich versieht, hat man sein Ziel erreicht.

Natürlich dürfte das bei jedem anders sein. Manch einer setzt sich vielleicht lieber eine Vorgabe an Kapiteln. Ein anderer bevorzugt doch die Seiten. Wieder ein anderer setzt sich eine bestimmte Zeit, in der er schreibt. Da tickt wohl jeder anders. Für mich hat sich jedoch die Methode mit den Wörtern beim letzten Buch ganz gut bewährt. Die Rohfassung hatte ich damit in weniger als einer Woche niedergeschrieben.

Bei Zeitvorgaben hatte ich oftmals gedankenverloren vor dem weißen Bildschirm gehockt und einfach die Zeit abgesessen. Allerdings beende ich meine Arbeit nicht an dem Punkt, wo ich meine Anzahl an Wörtern erreicht habe. Wenn das Kapitelende in greifbarer Nähe ist, wird es noch zu Ende geschrieben. Es benötigt halt einen guten Punkt, an dem man aufhören kann. Hauptsache ist doch, dass man das Minimum bewältigt hat.

Ganz wichtig bei der eigenen Zielsetzung ist es daher, dass man realistisch bleibt. Weiß man von sich selbst, dass man pro Tag maximal zwei Seiten schreiben kann, dann sollte man sich als regelmäßiges Ziel eher 500 Wörter pro Tag vornehmen. Merkt man, dass es läuft, kann man es immer noch erhöhen oder sich schlichtweg darüber freuen, dass man das Doppelte von dem geschafft hat, was man sich vorgenommen hatte.

Setzt man hingegen die Vorgaben zu hoch und bewältigt es einfach nicht, dann wirkt sich das deprimierend und demotivierend auf einen aus. Also lieber kleinere Schritte, dafür aber regelmäßig. Das kann auch einmal pro Woche sein. Wer einen Fulltime-Job macht und am Abend tot ins Bett fällt, schafft es vielleicht nur, sich am Wochenende hinzusetzen. Ebenfalls okay. Hauptsache man bleibt am Ball.
Was mich auch direkt zum nächsten Punkt bringt.

Im Schreibfluss bleiben

Untergräbt man nämlich die Regelmäßigkeit, wird auch der Schreibfluss gestört und das ist gar nicht gut. Wer zu lange Abstand zu seinem Buchprojekt hatte, muss zunächst wieder alles lesen, um hineinzufinden. Das ist unnötig viel Arbeit und obendrein keine Garantie dafür, dass man genauso weiterschreibt wie bisher. Vielleicht hat sich der eigene Schreibstil plötzlich geändert, weil man zwischendrin an etwas anderem gearbeitet, Bücher gewälzt oder sich weitergebildet hat. Den Unterschied wird man merken – definitiv. Hat man hingegen die Rohfassung in einem Rutsch verfasst, steht bereits eine Basis.

Doch der Schreibfluss wird nicht nur durch Unregelmäßigkeit gestört, sondern auch durch Ablenkungen jeglicher Art. Hier mal ein paar Dinge, die einem aus dem Konzept bringen könnten:

Recherche unbedingt aufschieben!

Selbst wenn es einen gerade in den Fingern juckt – man möchte ja nichts Falsches schreiben – bedeutet Recherche einen groben Bruch im Schreibfluss. Und das betrifft Nachforschungen jeglicher Art – sei es im Internet googeln, in einem Buch nachschlagen oder in den eigenen Aufzeichnungen nachsehen. Seid ihr richtig im Fluss, dann bloß nicht aufhören, um irgendetwas nachzuschlagen. Das hat Zeit. Das kann man später immer noch machen.

Hat man Angst, es zu vergessen, hilft schon eine kleine Notiz am Rande. Falls man irgendwo festhängt und in seinen eigenen Dokumenten nachschauen muss, was als Nächstes geschehen sollte, geht das selbstverständlich auch. Wenn man auf Toilette muss, Hunger hat etc. sollte man natürlich ebenfalls unterbrechen. ;-)

Aber fangt um Gottes Willen keine richtige Recherche an! Es bringt euch komplett raus. Habt ihr diese Nachforschungen bislang nicht erledigt, es ergeben sich Ungereimtheiten oder es tut sich etwas Neues auf, das ihr nachschlagen müsst, dann kümmert euch besser später darum.

Scheiß auf Rechtschreib- und Grammatikfehler!

Ihr habt euch vertippt? Scheiß drauf. Kann man alles nachher korrigieren. Wenn ihr in diesem Moment aufhört zu schreiben, um ein paar Kommafehler zu verbessern, die euch soeben ins Auge gesprungen sind, ist der Satz, den ihr gerade niederschreiben wolltet, schon weg. Orthografie ist etwas, das sich problemlos im Nachhinein bearbeiten lässt.

Bloß nicht lesen, was gerade geschrieben wurde!

Man ist zwar derzeit so gut im Fluss, hat aber plötzlich einen kleinen Hänger. Was macht man also? Mal nach oben scrollen und lesen, was man bisher so verzapft hat. Ganz großer Fehler. Wenn ihr euch nicht zu jenen von Gott gesegneten Prosaisten zählt, deren Wortkunst unmittelbar nach der ersten Niederschrift als druckreifer literarischer Hochgenuss auf der Zunge zergeht, dann solltet ihr das tunlichst vermeiden. Es könnte ein stilistisches Desaster sein, was euch dort entgegenstarrt.

Und es geschieht womöglich das: „Oh, ein Rechtschreibfehler! … Was hab ich mir bei diesem Satz bloß gedacht? … Ach du sch… Und … Arg, nein. Hab ich das geschrieben?“ Und schon fängt man an, zu korrigieren. Aber eigentlich wollte man doch schreiben, oder?

Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass meine Rohfassungen der letzte Mist sind. Nie und nimmer würde ich jemandem diesen Schrott zu lesen geben! Es wimmelt nur so vor Tippfehlern, Kommafehlern und Wortwiederholungen. Stilistisch – je nach Tagesform – reicht das Geschreibsel von höchst brillant (eher selten) bis hinunter zu Grundschulaufsatz. Zudem bestehen meine Rohfassungen fast nur aus Handlung und Dialog. Beschreibungen der Umgebung und Personen, Sinneseindrücke, Vergleiche etc. kommen erst in der Handlungs- oder Stilkorrektur hinzu.

Aber das ist völlig in Ordnung. Denn es ist ja nur der erste Entwurf. Hier geht es mir darum, in die Geschichte einzutauchen, mit meinen Protagonisten mitzuerleben, wie sie für ihre Ziele kämpfen, mitzuleiden und mitzulachen. Wer sich in diesem Moment zu viele Gedanken um ansprechende Formulierungen macht, der entzieht sich (meiner persönlichen Ansicht nach) dieser Welt und bleibt auf Distanz. In der Rohfassung dreht sich bei mir alles um das Gefühl, um das Eintauchen und um die Möglichkeit mich selbst verzaubern und mitreißen zu lassen.

Außerdem erkennt man an solch einem ersten Entwurf, was einem persönlich in einer Geschichte am wichtigsten erscheint. Legt man vielleicht großen Wert auf die Beschreibung der Natur? Dann solte man das bei späteren Überarbeitungen berücksichtigen. Denn es scheint ein Schwerpunkt des eigenen Stils zu sein.

Legt man Wert auf clevere Dialoge? Dann sollte man bei der Überarbeitung nicht anfangen, diese auf Teufel komm raus zu verschlimmbessern, bis sie stilistisch eher einer gehobenen Buchsprache entsprechen und etwas Künstliches erhalten. Meine Dialoge sind übrigens das, woran ich im Überarbeitungsprozess am wenigsten ändere. Aber um so schreiben zu können, dass man voll und ganz drin steckt, braucht es Ruhe.

Bitte nicht stören!

Gerade voll im Schreibfluss und plötzlich klingelt das Telefon? AHHH!!! Rangehen? Könnte ja wichtig sein. Lieber klingeln lassen? Eine Überlegung, die einen bereits rausbringen kann. Der Satz des Jahrtausends, der soeben verfasst werden sollte, ist vergessen.

Oder es klopft an der Tür und der Mitbewohner (alternativ: Lebenspartner, Kind) möchte wissen, ob man Lust auf ein Bierchen in der Stammkneipe hat (beim achtjährigen Kind würde das wohl enorm aus dem Konzept bringen). Oder das Mailprogramm berichtet, dass eine bedeutsame Mail von einer fremden Person angekommen ist, die dir jede Menge Geld schenken will, wenn du ihr vorher ein paar Hunderter überweist. Und, und, und …

Es existieren zahlreiche Dinge, die einen unterbrechen können und es gibt nur diesen einen Teil während der gesamten Arbeit am Buch, wo es unglaublich wichtig ist, nicht gestört zu werden. Kann man diese Störfaktoren im Rahmen gesetzlicher, moralischer und sozialverträglicher Maßnahmen eliminieren, sollte man das tun.

Ich sage meinen Mitbewohnern, wenn ich gerade in der Schreibphase bin, dass sie mich bitte nicht stören und schon gar nicht eine spontane Party veranstalten sollen. Ich schließe alle anderen Programme auf meinem Laptop, stelle mein Handy aus und ignoriere das Telefon. Es gibt ja einen Anrufbeantworter. Es auszustöpseln ist mir dann allerdings doch etwas zu viel des Guten.

Freunde und Familie wissen ebenfalls Bescheid, dass sie nicht unterbrechen sollen. Ansonsten ruft mich eh niemand an. Falls es um mich herum zu laut wird (Baustelle, Party beim Nachbarn oder so Zeug), ziehe ich meine Kopfhörer an und höre zum Buch passende Musik.

Was ich jedoch am liebsten unternehme: Ich fahre zu meinen Eltern aufs Land, vorausgesetzt sie sind gerade mal in Urlaub, und genieße die absolute Ruhe in einem abgeschiedenen Kaff, in dem man sich noch sorgt und spekuliert, was wohl welchem der Nachbarn passiert sein könnte, sobald eine Sirene durch die Straßen heult. Ablenkung ist dort höchst selten.

Leider fahren meine Eltern nicht soo häufig in Urlaub. Das erschwert es dann etwas, die Schreibzeit entsprechend abzupassen. Wenn ich es mir leisten könnte, würde ich mir für ein paar Wochen – je nach angestrebter Buchdicke – eine Blockhütte im Wald mieten und dort meine Rohfassung niederschreiben. Nicht umsonst sind es in Filmen meistens Schriftsteller, die sich in eine einsame Hütte im Wald zurückziehen – oder eine Gruppe von Teenagern, die sich abschlachten lässt. Für diese Zeit bräuchte ich ja nicht mal Internet – was für mich schon sehr ungewöhnlich ist. Allerdings sollte dieser abgeschiedene Ort natürlich ein Ort sein, wo man sich wohlfühlt, damit man voll und ganz in seine Geschichte eintauchen kann.

Mehr gibt es von meiner Seite eigentlich nicht zu sagen. Die meisten Autoren legen, glaube ich, mehr Wert darauf, dass ihre Rohfassung bereits vorzeigbar ist und sie nicht mehr allzu viel korrigieren müssen. Ich lege mehr Wert darauf, mich vollständig auf meine Figuren zu konzentrieren und mit ihnen in der Handlung zu versinken. Bin ich einmal drin, läuft es fast wie von selbst. Aber das sollte jeder für sich selbst herausfinden.

Und noch ein kleiner Tipp am Rande: Wenn man schon ein paar Seiten geschrieben hat und eine Pause (ein Tag, eine Woche) dazwischen liegt, ist es –  im Gegensatz zum Durchlesen während des Schreibens – durchaus sinnvoll, die letzten zwei oder drei Seiten davon lesen, bevor man weiter schreibt. So kommt man wieder in den Schreibfluss hinein.

 

Und – ach ja – der Hausvergleich: Die Rohfassung ist prima mit dem fertigen Rohbau zu vergleichen. Noch nicht sonderlich hübsch, aber das Haus steht. Es lässt sich erahnen, wie es am Ende aussehen wird.

Kommentare 1

  1. Hi Daniela!
    Hab gerade deinen schönen Text zur Rohfassung gelesen. Da ich im Moment ein echtes Haus renoviere und gleichzeitig Ende vergangenen Jahres eine Rohfassung geschrieben habe, kam mir im Grunde derselbe Vergleich. Erst mal richtig ranklotzen. Der Feinschliff samt Tapete und Teppichböden kommt erst später. http://klarabellis.de/rohbau/
    Viele Grüße
    Klara Bellis ;-)

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